Vom Syndikus zum Soldaten (1) – Als Quereinsteiger in der Bundeswehr

Vor fünf Jahren fasste ich den Entschluss, die Karriere als Rechtsanwalt an den Nagel zu hängen und dem Herzenswunsch zu folgen, „echter“ Soldat sein zu wollen. Zum 1. Oktober 2019 trat ich als Bundeswehr-Quereinsteiger den Dienst als Hörsaalleiter(eine Mischung aus Klassenlehrer und Taktiklehrer) an der Offizierschule des Heeres in Dresden an. Es war geschafft, ich hatte mein „Hobby“ zum Beruf gemacht. Der hat mich inzwischen zum NATO Joint Warfare Centre nach Norwegen verschlagen.

Mit der Ernennungsurkunde zum Soldaten auf Zeit wurde ich Bundeswehr-Quereinsteiger.
Mit der Ernennungsurkunde zum Soldaten auf Zeit wurde ich Bundeswehr-Quereinsteiger.

Die Privatwirtschaft im fortgeschrittenen Alter verlassen und ohne Not Soldat werden? Das mag ungewöhnlich klingen. Tatsächlich kenne ich in meinem Umfeld verschiedene Personen, die diesen Schritt nach mir gewagt haben. Und immer wieder werde  ich aus dem Bekanntenkreis von Menschen, die ebenfalls einen solchen Schritt erwägen, auf meine Erfahrungen angesprochen und um Rat gefragt. Einige dieser Erfahrungen möchte ich in diesem und den folgenden Beiträgen teilen, um vielleicht auch für andere eine Orientierungshilfe zu geben.

Bundewehr-Quereinsteiger in die Offizierlaufbahn

Die Bundeswehr unterscheidet grundsätzlich – neben der regulären Offizierlaufbahn – den Wiedereinsteller und den Seiteneinsteiger in die Offizierlaufbahn. Beides möchte ich unter dem Bundeswehr-Quereinsteiger zusammenfassen.

Quereinsteiger als Wiedereinsteller

Wiedereinsteller sind, wie der Name bereits nahelegt, bereits schon einmal Soldat gewesen und haben einen (Offizier-)Dienstgrad erlangt. Sie werden mit dem erlangten Dienstgrad in die Bundeswehr eingestellt (vgl. auch § 5 Abs. 2 S. 2 Soldatenlaufbahnverordnung). So lag der Fall bei mir: Ich bin ein Kind der Wehrpflicht; ich musste als 18-jähriger den Wehrdienst antreten, wurde dann nach 10 Monaten als Obergefreiter regulär aus der Bundeswehr entlassen und dann in die sogenannte Mobilmachungsreserve – so etwas gab es im Jahr 2000 noch – beordert. Als Reservist durchlief ich parallel zu Jura-Studium und Promotion eine Ausbildung zum Reserveoffizier. Ich leistete regelmäßig sogenannte Wehrübungen ab, besuchte weiterführende Lehrgänge, wurde befördert. Zuletzt war ich als stellvertretender Bataillonskommandeur in einem Panzerbataillon im Dienstgrad Oberstleutnant beordert. Mit diesem Dienstgrad stellte die Bundeswehr mich dann auch wieder ein.

Quereinsteiger als Seiteneinsteiger

Anders ist die Lage bei dem sogen. Seiteneinstieg in die Offizierlaufbahn: Seiteneinsteiger erhalten ihren Offizierdienstgrad nicht aufgrund des militärischen Werdeganges, sondern aufgrund ihrer zivilen Qualifikation. Möglicherweise haben sie einen bereits im Grundwehrdienst erlangten Mannschaftsdienstgrad. Es ist aber auch ebenso denkbar, dass sie noch gar keinen vorherigen Kontakt mit der Bundeswehr hatten.

Welcher Offizierdienstgrad verliehen wird, ist dabei von dem Studienabschluss und der vorgesehenen (Fach-)Verwendung abhängig. Dabei liegt beim Seiteneinstieg der Teufel im Detail (der Soldatenlaufbahnverordnung):

  • So kann ein Bachelorabschluss zwar grundsätzlich nach § 25 Abs. 1 und 2 Soldatenlaufbahnverordnung zu einer Einstellung als Oberleutnant berechtigen, ja bei Berufserfahrung sogar noch höher. Erforderlich ist aber eine entsprechende Fachverwendung – es muss also entsprechende Stellen geben, die dieses spezifische Studium verlangen.
  • Masterabschlüsse oder Staatsexamina können gar zu einer Einstellung als Stabsoffizier führen: Auch wenn die Mehrheit der Juristinnen und Juristen in der Bundeswehr verbeamtet sind, gibt es z.B. einige Stellen für sogen. Stabsoffiziere-R (mit der Befähigung zum Richteramt). Ein Stabsoffizier-R wird überwiegend in juristischen Fachverwendungen im Bereich Personal eingesetzt.
  • Findet sich für den Studienabschluss keine entsprechende Fachstelle, erfolgt nur eine Einstellung als Oberfähnrich – also bloß als Offizieranwärter und nicht als Offizier (§ 23 Abs. 4 Soldatenlaufbahnverordnung).

Unabhängig von dem bei Einstellung verliehenen Dienstgrad muss der Seiteneinsteiger (anders als der Wiedereinsteller) nach Einstellung trotzdem erst einmal eine gewisse militärische Ausbildung durchlaufen. Hierzu gehört in der Regel die Grundausbildung, im Heer ggf. auch der „Offizierlehrgang Seiteneinstieg“ (OLS) an der OSH. Also auch wenn man vom Dienstgrad her als Führungskraft eingestellt wurde, muss man zunächst einmal durch die Schlammzone. Zusammen mit 18-Jährigen das Strammstehen zu lernen, kann für den einen oder anderen eine Herausforderung darstellen.

Umgekehrt hat mir auch eine Seiteneinsteigerin berichtet, dass ihr die soldatisch geprägte Grundausbildung Freude gemacht habe. Ihr sei aber die anschließende Fachverwendung zu unsoldatisch gewesen – was sie zum vorzeitigen Verlassen der Bundeswehr bewog.

Der Ruf des Neckermanns

Der Begriff des „Neckermanns“ wurde zu meiner Grundwehrdienstzeit für Bundeswehr-Quereinsteiger mit höherem Dienstgrad verwendet. Man unterstellte ihnen damit quasi , dass sie ihren Dienstgrad nicht (v)erdient, sondern im Katalog bestellt hätten. Auch wenn mir dieser Begriff in den letzten Jahren nicht mehr untergekommen ist, so wird man als Bundeswehr-Quereinsteiger (also auch als Wiedereinsteller mit z.B. jahrelanger Erfahrung in der Reserve) unausweichlich damit konfrontiert werden, dass Soldaten mit regulärem Werdegang und jahrelanger Diensterfahrung ihr Unverständnis äußern, wieso Menschen mit viel kürzerer Dienstzeit denselben Dienstgrad führen dürfen. Hier ist einerseits dickes Fell, aber auch Taktgefühl gefragt: denn gerade die „Generation Einsatz“ hat viele Dinge in den vielen Auslandseinsätzen erleben müssen; andererseits war auch nicht jeder außerhalb des schützenden Feldlagers eingesetzt oder hat Gewalterfahrungen sammeln müssen.

Ich habe jedoch die Erfahrung machen dürfen, dass sich selbst Kameraden, die sich kritisch oder gar abfällig mir gegenüber geäußert haben, irgendwann auch auf mich verlassen und meinen Rat oder Arbeit geschätzt haben. Allein „den Dienstgrad raushängen“ zu lassen, wird nicht genug sein: man muss ihn als Soldat ausfüllen wollen. Mir berichtete eine Kameradin einmal von ihrem Chef, der StOffz-R-Seiteneinsteiger war und der sich allein hinter seinem Dienstgrad versteckte, ohne sich die Fachlichkeit oder das soldatische Auftreten anarbeiten zu wollen. Derartige Exemplare fallen dann  leider auf und die Geschichten werden schnell verbreitet. Anders, wenn man tatsächlich seine Rolle ausfüllt („Wie, Du bist erst seit 3 Jahren bei der Bundeswehr?“).

Viele Wege zum Ziel?

Für Bundeswehr-Quereinsteiger gibt es also ganz verschiedene Wege, die alle ihre Vor- und Nachteile haben. Ich hatte im Jahr 2018 ursprünglich einmal eine Verwendung als StOffz-R erwogen, dann aber nach einem bizarren Bewerbungsgespräch (ich werde bei Gelegenheit davon berichten) für mich verworfen: ich wollte echte Truppe, keine Personalakten. Da ich allerdings schon als Reservist den Dienstgrad Oberstleutnant erworben hatte, konnte ich auch als normaler Stabsoffizier im Truppendienst mit dem Dienstgrad Oberstleutnant eingestellt werden.

Die Einstellung als Stabsoffizier im Truppendienst hat jedoch auch Nachteile für mich: da der normale Stabsoffizier im Truppendienst nicht studiert haben muss, galten meine Studienzeiten nicht für die Erfahrungsstufen . Das Argument, dass heutzutage annähernd jeder Stabsoffizier studiert hat und ihm seine Studienjahre nicht nur auf die Erfahrungsstufen angerechnet, sondern auch bezahlt wurden, griff nicht. Als StOffz-R wären die Studienzeiten anrechenbar gewesen. Auch braucht ein StOffz-R nur eine Beurteilung, um sich als Berufssoldat bewerben zu können. Als „Truppendiener“ muss ich hingegen zwei Beurteilung vorlegen können – was für mich derzeit gewisse zeitliche Herausforderungen mit sich bringt. Aber davon möchte ich später gesondert berichten.

Insgesamt hat das System Bundeswehr hat ein schizophrenes Verhältnis zu zivilen Führungskräften als Quereinsteiger (sei es aktiv, sei es in der Reserve): Einerseits will die Bundeswehr Quereinsteiger gewinnen, um Personallücken zu schließen und externen Sachverstand für sich nutzbar zu machen. Sobald die Bundeswehr aber einen Quereinsteiger für sich gewonnen hat, beäugt sie ihn kritisch oder zumindest mit Unverständnis. Diese Dissonanz zwischen dem Reden und tatsächlichen Handeln des Systems Bundeswehr stört mich persönlich zusehends. Das zeigt sich im Übrigen auch in der Verwendungsplanung, wie ich später einmal berichten werde. Denn auch wenn aufgrund ziviler Qualifikation ein Dienstgrad verliehen wird, so ist der weitere Verwendungsaufbau häufig von durchlaufenen historischen Verwendungen (formuliert in sogen. Bedarfsträgerforderungen) abhängig, die für den Quereinsteiger teilweise unmöglich zu erfüllen sind. Hier wird der Bundeswehr-Quereinsteiger dann doch „als der Obergefreite, der er ja eigentlich ist“ behandelt.